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Demokratie in Deutschland 2011

Rechtsextremismus und Rechtspopulismus stellen die Demokratie vor große Herausforderungen. Die Eindämmung dieser beiden Krisensymptome kann sich nicht auf die Bekämpfung ihrer Organisationen beschränken, sondern muss sich vor allem auf die Stärkung einer nachhaltigen demokratischen Kultur konzentrieren.

Rechtsextremismus und Rechtspopulismus als Herausforderungen für die Demokratie

In Zeiten eines virulenten sozialen und ökonomischen Wandels sowie einer Vertrauenskrise der etablierten Parteien sind Rechtsextremismus und Rechtspopulismus eine ernste Bedrohung für die Demokratie. Sie stoßen insbesondere bei den Teilen der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden, die sich als Verlierer oder Opfer des Globalisierungsprozesses empfinden. Die Anfälligkeit von Individuen für Rechtsextremismus bzw. Rechtspopulismus hängt weniger davon ab, wie prekär ihr sozialer Status tatsächlich ist, als vielmehr davon, wie sie ihren sozialen Status und die daraus resultierenden Deklassierungsängste verarbeiten.

So gibt es gegenwärtig in Deutschland eine vitale rechtsextremistische soziale Bewegung. Sie verfügt über eine starke kollektive Identität und, zumindest in einem qualitativen Sinne, über eine hohe Mobilisierungsstärke. Während die rechtsextremistische Bewegung relativ homogene Ideologiemuster und Feindbilder aufweist, ist sie in ihren Strukturen und Strategien immer noch eher heterogen. Als kollektives Deutungsmuster der Akteure fungieren vor allem Ideologiefragmente des völkischen Nationalismus, die Ethnisierung sozialer Fragen und in jüngerer Zeit ein rigider Antikapitalismus (völkisch gewendet als "nationaler Sozialismus"). Rechtsextremisten wollen die Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse mit ihrer Forderung nach ethnischer und politischer Homogenität aufhalten und umkehren. Die Eindämmung des Rechtsextremismus kann nicht allein auf die Bekämpfung seiner Organisationen reduziert werden, sondern muss vor allem auf die Stärkung einer nachhaltigen demokratischen Kultur konzentriert sein. Staatliche Repression und Verbote gegen die extremistische Rechte sind für sich allein nicht notwendigerweise mobilisierungshemmend, sondern verstärken unter Umständen sogar das Selbstverständnis als verfolgte Gruppe. Rechtsextremismus ist heute in Deutschland weitgehend gesellschaftlich geächtet und das offene Bekenntnis zu oder Engagement für die extremistische Rechte führt in der Regel zu empfindlichen sozialen, berufl ichen und unter Umständen staatlichen Sanktionen. Diesen Zustand gilt es zu bewahren! Interventionen mit dem Ziel, der Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungen nachhaltig entgegenzuwirken, müssen weit über die reine ökonomische Existenzsicherung hinausreichen. Es geht um nicht weniger als eine "positive Anerkennungsbilanz".

Gute Bildungs-, Informations- und Sozialpolitik ist der Kern guter Rechtsextremismusprävention. Es besteht die Gefahr, dass inhumane soziale Praxis inhumane Einstellungen sukzessiv normalisiert. Eine Politik, die auch nur den Anschein erweckt, dass Banken "systemrelevant" sind, sozial Schwache jedoch nicht, leistet menschenfeindlichen Einstellungsmustern Vorschub. Nötig ist dagegen eine demokratische Kultur der Anerkennung aller, die in dieser Gesellschaft leben.

Rechtspopulismus dagegen ist in Deutschland keine soziale Bewegung, sondern zuvorderst ein Politikstil, der sich rechtsextremistischer Ideologie- und Propagandafragmente bedient. Der parteiförmige und bei Wahlen erfolgreiche Rechtspopulismus ist in Deutschland, im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, noch nicht anzutreffen. Nichtsdestotrotz existiert ein erheblicher Resonanzboden in der Bevölkerung für rechtspopulistische Deutungsmuster. Indem Rechtspopulisten den öffentlichen Diskurs emotionalisieren, Problemfelder verkürzt darstellen und einfache Lösungen für komplexe Problemlagen suggerieren, gelingt es ihnen, die "Mitte der Gesellschaft" auf der Einstellungs-, aber auch auf der Handlungsebene an sich zu binden. Sie stellen eine Bedrohung für die Demokratie dar.

Dabei üben Rechtspopulisten aber eine ätzende – und damit auch korrosive – Kritik an der demokratischen Wirklichkeit innerhalb des Systems, während Rechtsextremisten die freiheitliche Demokratie in Gänze abschaffen wollen, auch wenn sie dafür an demokratischen Wahlen auf dem Weg dorthin teilnehmen. Populisten wollen die Demokratie nicht abschaffen, sondern sie möglichst dominieren. Die modernen Massenmedien spielen für die Rechtspopulisten dabei eine entscheidende Rolle, ganz gleich ob die Berichterstattung positiv oder negativ ist, die breitenwirksame Schlagzeile ist das, was zählt.

Besonders vielschichtig ist die Situation in Ostdeutschland, wo eine mobilisierungsfördernde "doppelte Modernisierung" zu konstatieren ist: Die nachgeholte Systemtransformation fällt zusammen mit dem aus Westdeutschland importierten Modernisierungsschub. Zu beobachten ist eine alltagskulturelle rechtsextremistische Dominanz in Teilen des ländlichen Ostdeutschlands.

Die Zustimmung zu rechtsextremistischen bzw. menschenfeindlichen Denkmustern nimmt mit höherem Grad der Bildung ab. Grundsätzlich gilt: je ungebildeter, desto rechtsextremistischer. Die Einführung des Fachs "Demokratieerziehung" an Schulen könnte hier einen positiven Beitrag leisten. Politische Bildung im Sinne von Extremismusprävention und -bekämpfung muss ein permanenter demokratiebegleitender Prozess sein. Nur so können sich nachhaltige Strukturen langfristig entwickeln und hohe Qualitätsstandards in Prävention und Beratung verstetigt werden.